Die Bedeutung des Rechts
Grundidee der alternativen Konfliktlösung ist die Selbstbestimmung. Die Parteien sollen selbst entscheiden, was sie als gerecht ansehen wollen, gewissermaßen ihr eigenes Recht an die Stelle des Gesetzes (und eines daran gebundenen Urteils) setzen. Der große Vorteil liegt auf der Hand: Während das Gesetz Allgemeingültigkeit beansprucht, können bei der autonomen Rechtsgestaltung die individuellen Interessen verwirklicht werden.
Unser Zivilrecht bietet diese Möglichkeit, weil es vom Prinzip der Privatautonomie beherrscht wird. Dieses gilt nicht nur für den Abschluss und die Gestaltung von Verträgen, sondern auch für die einvernehmliche Beilegung eines Konflikts. Die Parteien können sich dabei an der Rechtslage orientieren, sie können aber auch auf gesetzliche Rechte verzichten, Ansprüche neu begründen oder inhaltlich ändern, wenn dies ihren Interessen besser entspricht.
Wie bei jedem Vertrag endet die Regelungsfreiheit erst dort, wo mit der Vereinbarung gegen gesetzliche Verbote verstoßen würde, also z.B. ein strafbares, sittenwidriges, Unbeteiligte oder Geschäftsunfähige belastendes Handeln verabredet würde. Ansonsten aber sind getroffene Vereinbarungen rechtsverbindlich, also ggf. einklagbar. Damit nicht hieraus ein neuer Rechtsstreit entsteht, sollte man für etwaige Umsetzungsprobleme wiederum eine einvernehmliche Lösung anstreben (und dies am besten bei der Einigung gleich mit vereinbaren).
Wenn gewünscht wird, dass eine außergerichtliche Einigung auch im Wege der Zwangsvollstreckung ?Zwangsvollstreckung: Durchsetzung eines Anspruchs, für den ein Vollstreckungstitel erlangt wurde, durch ein staatliches Organ, erforderlichenfalls durch Zwangsmaßnahmen wie Pfändung, Versteigerung usw. durchsetzbar ist, können die Parteien sie notariell, durch Anwälte oder eine staatlich anerkannte Gütestelle ?Staatlich anerkannte Gütestelle: Einrichtung zur gütlichen Streitbeilegung, der durch Landesrecht oder von der Landesjustizverwaltung ein besonderer Status verliehen wurde. Sie kann vollstreckbare Vergleiche beurkunden (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Ein bei ihr eingereichter Antrag kann die Verjährung des darin bezeichneten Anspruchs verhindern (außer wenn der Gegner ein solches Verfahren bereits abgelehnt hat). beurkunden lassen.
Wenn eine Klage bereits erhoben wurde, ist eine einvernehmliche Streitbeilegung nicht ausgeschlossen, sondern im Gegenteil noch dringender anzuraten – nicht nur, aber auch aus Kostengründen: Die einbezahlte Gerichtsgebühr wird dann zu zwei Dritteln zurückerstattet; ein u.U. jahrelanger Prozess abgekürzt.
Auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits wirkt auch das Gericht hin. Es kann hierzu eine eigene Güteverhandlung anberaumen, vor einen auf alternative Konfliktbeilegung spezialisierten Güterichter ?Güterichter: Richter, der auf Verweisung des zuständigen Prozessgerichts die Parteien unterstützen soll, eine einvernehmliche Lösung ihres Konflikts herbeizuführen (§ 278 Abs. 5 ZPO). Er kann sich dabei aller Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation bedienen, hat aber keine Entscheidungsbefugnis. Finden die Parteien keine prozessbeendigende Einigung, wird der Rechtsstreit vor dem Prozessgericht fortgesetzt. Eingehend: Greger/Weber, MDR 2019, S1; www.gueterichter-forum.de verweisen oder eine außergerichtliche Streitbeilegung vorschlagen (§§ 278, 278a ZPO).
Die Parteien und ihre Prozessvertreter sollten aber auch von sich aus die Möglichkeit zu außergerichtlichen Lösungen im Auge behalten. Oft bietet gerade das Prozessgeschehen neue Ansatzpunkte für Verhandlungen, z.B. aufgrund richterlicher Hinweise, des Erkennens von Beweisproblemen oder bisher unbekannten Aspekten des Konflikts). Stets zu empfehlen ist eine verfahrensbegleitende Prozessrisikoanalyse ?Prozessrisikoanalyse: Eine Methode zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit eines Prozesserfolgs. Dabei wird zunächst festgestellt, welche gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit die Klage Erfolg haben kann. Sodann wird für jede vom Gegner bestrittene Voraussetzung eingeschätzt, mit welcher Wahrscheinlichkeit dem Gericht die Überzeugung von ihrem Vorliegen verschafft werden kann. Aus den Prozentwerten wird durch Multiplikation eine Gesamtwahrscheinlichkeit des Prozesserfolgs ermittelt. Dies sagt nichts darüber aus, wie der Prozess ausgehen wird, sondern bezeichnet nur den Erwartungswert der Klageforderung. Bei einem Nennwert von 100.000 € und einer Erfolgswahrscheinlichkeit von 20% würde z.B. ein Vergleich über 20.000 € den Erwartungswert realisieren. Eingehend: Risse, ZKM 2010, 107 .
Hält das Gericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens für geboten, sollte geprüft werden, ob nicht durch die Vereinbarung eines Schiedsgutachtens ?Schiedsgutachten: Von den Konfliktparteien gemeinsam in Auftrag gegebenes Gutachten, in der Regel verbunden mit der Abrede, dessen Feststellungen (auch in einem etwaigen Rechtsstreit) nicht mehr zu bestreiten. Abweichende Vereinbarungen (keine oder nur einseitige Bindungswirkung) möglich. eine schnellere und günstigere Lösung erzielt werden kann.